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08.06.2022

Überlebensrückblicke. Die Ausstellung »Evas Apfelsuppe« über das Leben von Eva Pusztai-Fahidi

„Vergeben ja – vergessen nie“ – in diese schlichte und doch bedeutungsstarke Botschaft mündet die inzwischen jahrzehntelange Freundschaft der Holocaust-Überlebenden und ehemaligen Zwangsarbeiterin Eva Pusztai-Fahidi zu Stadtallendorf

Die für ihr Engagement gegen Rassismus und Antisemitismus und für Frieden und Völkerverständigung europaweit bekannt gewordene Zeitzeugin verbindet seit 1990 und besonders intensiv seit Gründung des DIZ Stadtallendorf 1994 die engste Beziehung mit dem Ort. Hierher wurde sie Ende 1944 zusammen mit tausend weiteren ungarischen Jüdinnen aus Auschwitz deportiert, um im letzten Kriegswinter in den Sprengstoffwerken Allendorf der DAG Bomben und Granaten zu verfüllen. Niemand weiß, wie viele der jungen Frauen und Mädchen den Torturen der Zwangsarbeit erlegen gewesen wären, wenn die Alliierten im März 1945 das Werk nicht befreit hätten. Nur durch größtes Glück und durch die Wirren der chaotischen letzten Kriegstage gelang es Eva Pusztai-Fahidi, die Qualen der Ausbeutung in dem damals bei Allendorf befindlichen riesenhaften NS-Rüstungszentrum zu überleben. In ihren 2004 durch das DIZ Stadtallendorf erstmals herausgegebenen Erinnerungen mit dem Titel „Die Seele der Dinge“ gedachte Eva Pusztai-Fahidi auf das Eindrücklichste dieser Zeit der Gewalt und des Unrechts. Umso bewegender ist jede Begegnung, die sie in Stadtallendorf und in der ganzen Welt mit der Öffentlichkeit und mit Schulklassen sucht, um über ihre Erfahrungen zu sprechen in der niemals versiegenden Hoffnung, auf diesem Weg Krieg und Hass zu überwinden.

Für die Zukunft des Miteinanders trotz oder gerade wegen der Schrecken der Vergangenheit liegt darin, zu vergeben, aber nicht zu vergessen, eine Perspektive. Geteilte Erinnerungen können geteilte Verantwortung sein. Geteilte Verantwortung ist eine Chance für einen Neubeginn in Frieden gegen Zerstörung und Vernichtung. Doch was um der Zukunft des Zusammenlebens willen eine Versöhnung zwischen Tätern und Opfern ist, kann das auch eine persönliche Erlösung für die Opfer sein? Wie findet man nach tödlicher Bedrohung, Entwürdigung und Entrechtung zurück ins Leben? Nur wenig war bislang bekannt darüber, wie Eva Pusztai-Fahidi nach 1945 nach ihrer Rückkehr in die Heimat nach Ungarn für sich selbst eine Zukunft gestalten konnte. Zwischen dem Ende des 2. Weltkrieges 1945 und dem Ende des Kalten Krieges 1989 liegen Jahrzehnte des Schweigens über die Erinnerungen an die Jahre der Unterdrückung und der Verfolgung in der NS-Zeit. Erst mit der Gründung des DIZ in Stadtallendorf gab es einen Ort für die Erfahrungen der Zwangsarbeit in den damaligen Sprengstoffwerken Allendorf 1938-45. Die Erinnerungen an das Überleben nach 1945 und das Wissen über ihre Jahre der Rückkehr in ein geordnetes und sinnerfülltes Leben jedoch haben das DIZ und Stadtallendorf bisher mit Eva Pusztai-Fahidi noch nicht geteilt.

„Evas Apfelsuppe oder Der Duft von Heimat. Eine Hommage an Eva Pusztai-Fahidi“ ist die erste umfassende Ausstellung über das Leben der Ehrenbürgerin von Stadtallendorf. Die Präsentation von Blanka Weber mit Fotografien von Norman Hera wurde zuerst am Erinnerungsort „Topf und Söhne“ aus Anlass des zehnjährigen Bestehens dieser thüringischen Gedenkstätte gezeigt. Die Idee zu der Ausstellung wurde ausgelöst durch die Erzählungen von Eva Pusztai-Fahidi über das Rezept einer Suppe aus ihrer ungarischen Heimat. Den quälenden Hunger, den sie und ihre Leidensgefährtinnen täglich erleiden mussten, vermochten die Frauen nur durch die gemeinsame Erinnerung an vertraute Gerichte wie eine duftende Apfelsuppe zu lindern. In der Ausstellung sieht man auf großformatigen Fotografien Eva Pusztai-Fahidi und ihren Lebensgefährten Andor Andrasi in ihrer heutigen Wohnung in Budapest diese Apfelsuppe zubereiten. Umgeben ist diese Foto-Serien von ausführlichen Informationen über sämtliche Lebensstationen, durch die hinweg das Rezept dieser Apfelsuppe Eva Pusztai-Fahidi von der Kindheit bis ins hohe Alter begleitet hat.

Als erste von vielen weiteren Stationen zeigt Stadtallendorf die Wanderausstellung vom 9.Juni bis 3. August im Pavillon der Stadthalle Stadtallendorf. Zur Ausstellungseröffnung am 9.Juni 18.00 Uhr wird Eva Pusztai-Fahidi in Stadtallendorf sein. Die Apfelsuppe kann an dem Abend probiert werden!

Quelle: Stadt Stadtallendorf